Trendsport Baseball

Artikel aus den Dachauer Nachrichten vom 07.07.2012

Lahm, Torres, Schweinsteiger. Gerade noch gab es kein anderes Thema als Fußball. Aber in Indersdorf läuft eine kleine Revolution gegen das runde Leder. Ein paar Kinder sind sich einig: Baseball kann mehr als Fußball. Es ist schneller, macht mehr Spaß – und süchtig.
VON CHRISTIANE BREITENBERGER

Indersdorf – Vroni holt tief Luft und bläst ihre Backenauf. Die Achtjährige presst sich einen großen Lederhandschuh
vor die Brust, zieht ihr schwarzes Cap tiefer in die Stirn und murmelt: „Dich mach ich out.“ Vroni steht auf einem Baseballfeld umringt von Jungs. Gleich schlägt ihr älterer Bruder. Felix, vier Köpfe größer, breiter und mit Helm auf dem Kopf, hat die Beine gespreizt und schwingt seinen Schläger weit nach hinten. Der kleine weiße Ball kommt auf ihn zu und: Pling, weg ist das Ding. „Yeeeeaaaaa!“, schreit Felix. Aber ein Verteidiger ist besser. Er fängt den Ball. „Fly-Out“, ruft sein Team. Die Szene auf dem Indersdorfer Sportplatz erinnert schwer an einen typisch amerikanischen Hollywood-Film. Nur, dass hier am Spielfeldrand kein Hot-Dog-Verkäufer steht, sondern Baseballtrainer Hubert Böck mit weißem Cap. Er feuert seine Fireflys an, dass er morgen sicher keine Stimme mehr hat. Baseball ist ein amerikanischer Sport. Also wird auch Englisch geredet. So sieht es Trainer Thommi Töreki. Deshalb rennt auch gerade ein kleiner Bub vorbei und schreit: „Home! Home! Home!“ Womit er soviel sagen will wie: Den Ball zu mir, sonst machen die anderen einen Punkt.

Seit zwei Jahren ist es in Indersdorf völlig normal, dass Kids bewaffnet mit Helm, Schläger und übergroßem Fängerhandschuh über den Platz laufen und sich auf Englisch zurufen. Denn 2010 haben Hubert Böck und Thomas Töreki den Baseball nach Indersdorf geholt. Seitdem gibt es die Fireflies. Sie haben das einzige Schülerteam im Landkreis. Die Jugend trainiert zusammen mit den Dachau Tigers. Die Kinder sind von dem Spiel so begeistert, als würde Bastian Schweinsteiger auf dem Platz stehen und gratis Pizza verschenken. „Es macht so Spaß, den Ball wegzupfeffern“, sagt der zwölfjährige Felix. Sein Kopf hochrot, vom pfeffern und rennen. Er hat gerade einen Homerun geschafft. „Fußball kann da nicht mithalten.“

Auch Trainer Töreki weiß, was den Kindern so gefällt. „Baseball ist unheimlich vielseitig.Rennen, schlagen, fangen – da muss man alles draufhaben.“ Aber vor allem: „Die Kids brauchen Köpfchen.“ Er nennt den Sport nicht umsonst Rasenschach. Ohne Taktik geht nichts. Es gibt gefühlt 36 Möglichkeiten, wie die Verteidiger im Feld verhindern können, dass die Gegner ihre Punkte holen. Eine davon setzt gerade die kleine Vroni in ihrem rosa Top und grünen Hosen um. Sie berührt einen Gegner mit dem Ball, als er an ihr vorbei läuft. Damit ist er out. Ein kleiner Bub, der sich gerade noch von Hubert Böck die Schuhe binden hat lassen, ruft: „Super Tag-Play.“ Verkehrte Welt. Und ein bisschen wie im Zirkus. Zumindest fühlt sich Hubert Böck manchmal wie ein Dompteur. Aber die Kinder lieben ihn. „Auch wenn wir haushoch verlieren, sagt der Hubert immer, dass wir gut waren“, erzählt die elfjährige Aileen.

Vor ein paar Jahren stand sie noch auf dem Nachbarplatz. Bälle kicken. „Aber Baseball macht viel mehr Spaß.“ Tobi aus Vierkirchen sieht’s genauso: „Fußball ist einfach viel zu langweilig.“ Es ist vor allem die Stimmung, die Spieler und Zuschauer ansteckt. „Bei uns ist jeder einzelne Schlag spannend und reißt mit.“ Vor allem die Mannschaft. Schafft einer aus dem Team einen Homerun, also den Ball schlagen und einmal das Spielfeld umrunden, ehe ihn der Gegner stoppt, geht es auf dem Platz zu wie irre. David (9) liebt das. Er gehört zu den Kleinsten. Aber am Schlagmal vergisst er das. Er kneift die Augen zusammen, hat die Zunge im Mundwinkel und fixiert den Ball: Pling, David rennt los. Jetzt hält ihn nichts mehr. Homerun. Felix, vier Köpfe größer, hat ihn vorher pausenlos getratzt. „Hammerschlag“, sagt er jetzt und klöpft David auf die Schulter.